Samstag, 11. Mai 2013

Michael Szameit: Im Glanz der Sonne Zaurak

Hier handelt es sich um den ersten Roman der Sonnensteintrilogie.
1. Im Glanz der Sonne Zaurak
3. Das Geheimnis der Sonnensteine

Die beiden Kosmonauten Goran und Krassnick sind auf dem Rückweg zur Erde und durchfliegen das Planetensystem der Sonne Zaurak. Als sie plötzlich einem unbekannten Schwarzen Loch zu nahe kommen, scheinen sie dem Untergang geweiht. Mit unbändiger Macht werden sie von der Gravitation des dunklen Schlundes fortgerissen. Plötzlich taucht ein fremdes Raumschiff auf, was sich von den enormen Gravitationskräften des schwarzen Lochs nicht stören lässt und hält neben dem Raumschiff der in Not geratenen Kosmonauten an. Auf Funksprüche zeigt es keinerlei Reaktion. Als die beiden sich ihrer Rettung schon sicher sind, überlegen es sich die Piloten des fremden Raumschiffes anders und verschwinden wieder.

Unter Auferbietung all ihrer Energiereserven gelingt es Goran und Krassnick, dem Gravitationsfeld des schwarzen Loches zu entkommen. Mit leeren Treibstofftanks müssen sie auf dem dritten Planeten des Sonnensystems notlanden. Bei dem Absturz wird Krassnick auf der Stelle getötet. Goran klettert aus dem total zerstörten Wrack ihrer Agamemnon und sieht sich umzingelt von käferähnlichen Wesen mit riesigen dunklen Augen. Es gelingt ihm, ein paar von ihnen mit seinem Handlaser zu töten, bevor die Käfer den verletzten Raumpiloten in ihre Höhlen schleppen.
Kurz darauf wird auf der Erde ein Raumschiff startklar gemacht, um die vermissten Piloten der Agamemnon zu finden. Unter ihnen finden sich die beiden ehrgeizigen Erzrivalen Leander Malden und Algert Ponape. Der Hass, den die beiden aufeinander haben, wird nur noch von der Abneigung übertroffen, die andere Kameraden ihnen gegenüber empfinden. Sie hatten beide gehofft, bei den aufregenden Erkundungsabenteuern auf einer Supanova mitfliegen zu dürfen. Stattdessen wurden sie gemeinsam für einen ausrangierten Raumschiff-Klapperkasten eingeteilt. Unter der Leitung des alten Kapitäns Arnold, der einen Rochus auf den hochnäsigen Leander hat, sollen sie eine Außenbasis im Planetensystem von Zaurak einrichten und nach der vermissten Agamemnon suchen. Natürlich wird dieser erste Auftrag alles andere als langweilig.


Der Roman aus dem Jahre 1983 beschreibt eine typische Abteuergeschichte im altehrwürdigen sowjetischen Stil. Ein Raumschiff der Menschen fliegt in unbekannte Sonnensysteme hinein und entdeckt dort unbekannte Welten mit außerirdischen Lebensformen. Die ungestüme Entdeckerlust der Kosmonauten beschert ihnen schnell ernst zu nehmende Schwierigkeiten. Wie so oft ist auf dem dritten Planeten des Zaurak-Systems alles ganz anders als auf der Erde. In beeindruckenden, von Fantasie überschäumenden Beschreibungen lernt der Leser die Pflanzen- und Tierwelt des dritten Planeten im Zaurak-System kennen. Eine Form von einfacher Intelligenz hat sich dort manifestiert, die ihren Ursprung in einem beeindruckenden System findet. Allein diese Welt, die Szameit geschaffen hat, ist schon das Lesen wert. Doch das Buch wäre nicht 300 Seiten dick, wenn nicht eine weitere, hochintelligente Spezies ihre Finger im Spiel hätte. Diese humanoiden Außerirdischen haben ein biochemisches Speichermedium gezüchtet, was unsterblich ist und den Herkunftsort ihrer Schöpfer in sich trägt. Klingt nach überkandideltem Humbug? Wenn Szameit mit seinen Genrekollegen eines gemeinsam hat, dann die Fähigkeit, völlig frei erfundene Technologien so glaubwürdig und beeindruckend durchdacht zu beschreiben, dass man es ihm beinahe abkauft. Zwischen den fesselnden Entdeckungen des dritten Planeten blitzt immer wieder ein grundsatzphilosophisches Thema, was Szameit offenbar am Herzen lag: Wenn es wirklich so unwahrscheinlich ist, dass wir irgendwann intelligente Lebewesen treffen, dann verbietet es sich, dieses Leben zu töten. Oder denken nur Menschen so? Und wie menschlich muss ein Mensch sein, um so zu denken?
Zum Ende des ersten Buches nimmt Szameit diese Fragen mit in den zweiten Teil der Trilogie, was “Im Glanz der Sonne Zaurak” ein zugegebenermaßen etwas abruptes Ende beschert.


Die Sprache Szameits entfaltet seine volle Pracht, wenn er sich in seine fantastischen außerirdischen Planetenwelten stürzt. Der Alltag an Bord der Suchpatrouille, der nun einmal aus zwischenmenschlichen Reibereien besteht, bleibt frei von stilistischen Mitteln, Spielereien mit der Rhetorik und ähnlichem. Den nüchtern-sachlichen Stil eines Wissenschaftlers kann Szameit bei diesen Passagen einfach nicht abstreifen. Doch klugerweise hat er eine übersichtliche Anzahl relevanter Akteure in seinem Raumschiff, sodass es keine Herausforderung ist, der Handlung zu folgen. Die teilweise dramatischen Veränderungen in den Charakterprofilen der Protagonisten versucht Szameit mit allen verfügbaren Argumenten zu untermauern. Das liest sich logisch aber da Menschen nun einmal nicht nur aus Logik sondern auch aus Gefühl bestehen, fühlt man die Charakterentwicklungen nicht. Doch sei’s drum, der wahre Fokus liegt in der Wissenschaft. Hier blüht Szameit auf. Obacht wie bei allen sowjetischen Science Fictions: Gutes Schulwissen zum Thema Biologie, Chemie und Physik sollten vorhanden sein und der Geist des Leser in einem halbwegs wachen Zustand. Formulierungen wie...
Die Abbildung des Protocerebrums mit seinen beiden Hemisphären rückt in das Zentrum des Bildschirms. Das ist das Assoziationszentrum der Asseln. Deutlich ist in einem vergrößerten Sektor erkennbar, wie das von den Lanzetts gebildete Nervengewebe mit seinen Dendriten nach dem Gehirn des Insekts tastet, sich mit ihm vereinigt... (S. 191)
...sind keine Seltenheit. Dass darüber hinaus gern mal Logikfehler auftauchen oder die Piloten eines Raumgleiters ungebremst in ein schwarzes Loch düsen, weil sie dieses nicht “gesehen” haben, sollte nicht zu kritisch seziert werden. Um wasserdichte Wiedergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse (die noch dazu im Jahr 1983 auf einem anderen Stand waren als heute) geht es nicht. Es geht um eine Geschichte. Und diese werde ich noch über die beiden Nachfolgebücher weiter verfolgen.

1 Kommentar:

  1. Man kann die Sonnensteintriologie und den Roman „Drachenkreuzer Ikaros“ nicht vollständig bewerten, ohne die Entstehungszeit der Romane mit einzubeziehen. Alle vier wurden zu DDR-Zeiten geschrieben und spiegeln nur unwesentlich verfremdet die Gesellschaft wieder, die Szameit erlebt hat. In diesem Kontext sollten auch die Romane gelesen werden.

    "Alarm im Tunnel Transterra" ist der erste Roman von Szameit. (Der Nachfolger "Im Glanz der Sonne Zaurak" wurde danach veröffentlicht und erzählt gewissermaßen eine Vorgeschichte.) Im Debüt klingt das Thema Szameits gerade erst an. Die Konfliktparteien sind Magister Spinks aus der Militärdiktatur Korenth und Emanuel Pyron aus einer Gesellschaft, die sozialistische Züge trägt. Die Kritik an der Zuständen in der DDR ist noch sehr subtil und beschränkt sich auf Andeutungen zur Mangelwirtschaft und Fehlentscheidungen der Führung; so subtil, dass sie wohl in der heutigen Zeit nur Denjenigen auffallen wird, die die DDR-Zeit noch bewußt miterlebt haben. Vielleicht war Szameits Blick damals noch nicht so kritisch; vielleicht mußte er sich auch erst langsam heran tasten, wie weit er gehen durfte. Man muss sich nur die Liste der verbotenen Filme ansehen, die sich all zu kritisch mit der DDR-Gesellschaft befasst haben. Vielleicht war nur die Verfremdung durch die Science Fiktion in der Lage, gesellschaftliche Kritik rüber zu bringen.

    In seinem zweiten Roman „Im Glanz der Sonne Zaurak“ (der die Vorgeschichte erzählt) wird eine Miniaturgesellschaft beschrieben: die Besatzung eines Raumschiffs, das von einem tyrannischen Kapitän geleitet wird, der sich im Laufe des Romans als verletztes Individuum entpuppt. Das Happy End (der Tyrann findet zu Menschlichkeit, zu Verständnis) mag der Hoffnung Szameits entsprungen sein. Doch der Keim der Rebellion (die Befehlsverweigerung auf der Raumschiffbrücke im letzten Kapitel – während der seelisch gebrochene Kapitän das Kommando an seinen Stellvertreter abgegeben hat), wird hier bereits gelegt.

    Im dritten Roman der Triologie „Das Geheimnis der Sonnensteine“ spiegelt Szameit den Umgang der Deutschen mit ihrer ungeliebten Vergangenheit. Zitat: „Wie lange sollen sich die Söhne noch der Taten ihrer Väter schämen?“ Das untergegangene Reich Korenth, dessen militärischer Nachlass 30 Jahre nach dem Sieg der fortschrittlichen Kräfte die Existenz der Erde bedroht, trägt eindeutig faschistoide Züge. Doch auch die fortschrittliche Gegengesellschaft, die Szameit aufzeigt, ist durch Personenkult, Vorurteilen und Mißtrauen der Führung geprägt und trägt damit zur Gefahr bei.

    „Drachenkreuzer Ikaros“ steht inhaltlich außerhalb der Sonnenstein-Triologie; zeitlich gesehen ist es die Fortsetzung und bildet den Abschluss der „Vor-Wende-Werke“. Hier spürt man schon überdeutlich den Wind der Wendezeit kommen. Die Kritik ist unverhohlen. (Bespitzelung, Gängelung, Amtsmissbrauch, Parolen, die zu Worthülsen ohne Inhalt geworden sind). Das Buch endet mit dem symbolischen Sturz einer der Statuen von einem Wolkenkratzer.

    - Johatsu

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