Mittwoch, 5. September 2012

Tom Rachman: Die Unperfekten

Auf diesen Roman bin ich durch einen anderen Buchblog gestoßen. Das Thema ist für mich persönlich ein sehr Spannendes, da es sich um Printmedien dreht und den Aufstieg und Fall einer fiktiven Zeitung erzählt, die letztlich den Anschluss hinsichtlich der Internet-Präsenz verpasst und dadurch schlichtweg untergeht.

Klar strukturiert wurde dieses Buch vom Autor, dass es einfach Spaß macht, abzutauchen. Man ist mittendrin in der Zeitungsproduktion und durchlebt die Anfänge derselben in den 1950er Jahren und das beständige Treiben in der Redaktion. Jedes Kapitel handelt von einem Mitarbeiter der Zeitung und bekommt als Abschluss einen Auszug aus der Zeitungschronik. Ein elegante Mischung, wie ich finde.


Tom Rachman greift einige der Blattmacher heraus, gewährt Einblick in ihr berufliches Umfeld. Er zeigt mitunter herrische, launische und doofe Kollegenschweine, was durch das Ineinandergreifen der Geschichten der anderen Kollegen noch wunderbar untermauert wird. Und genau an der Stelle, an der man glaubt, sich ein Bild über diese Person machen zu können, wischt er die Tafel sauber und zeichnet das private Bild der jeweiligen Person, was nicht selten konträr zur beruflichen Existenz steht. 

Man findet beispielsweise die beruflich emanzipierte Finanzredakteurin, die einem faulen Taugenichts hinterherläuft – nur um nicht allein zu sein; einen kleinkarierten Chefkorrektor, ein brillanter Kopf mit genialem Gedächtnis, der nicht aus dem Schatten seines alten Jugendfreundes heraustreten möchte, bis sich herausstellt das seine eigenen Erwartungen an seinen Freund zu hoch respektive unbegründet waren. Und eine Miss Buchhaltung, die sich mit dem Mann auf dem Bett ihres Hotelzimmers wiederfindet, den sie einige Stunden zuvor entlassen hat, nur um festzustellen, dass er sie, die da so halbnackt vor ihm liegt, demütigen wollte.

Auch wenn der Titel „Die Unperfekten“ lautet, kann ich hier schreiben, dass es so ziemlich perfekt geworden ist; was umso mehr erstaunt, da es sich um das Erstlingswerk des Autors handelt. Es mangelt an nichts – Humor, Boshaftigkeit, Melancholie, Zynismus und Liebe – alles ist vorhanden.

„Aber ich will eigentlich darauf hinaus, dass der Tod missverstanden wird. Der Verlust des eigenen Lebens ist nicht der schlimmste Verlust. Es ist überhaupt kein Verlust. Für andere vielleicht, aber nicht für einen selbst. Aus der eigenen Perspektive betrachtet kommt einfach nur die Erfahrung zum Stillstand. […] Wovor ich wirklich Angst habe, ist die Zeit. Die ist der Teufel: Die peitscht uns vorwärts, wenn wir uns lieber räkeln würden, und dabei rennt uns die Gegenwart davon, wird ungreifbar, und plötzlich ist alles Vergangenheit, die nicht stillstehen will, die in all die unauthentischen Geschichten hinübergleitet.“

Dem habe ich nur noch folgendes hinzuzufügen: Prädikat „Äußerst Lesenswert!“

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