Mittwoch, 11. April 2012

Don Winslow: Zeit des Zorns


Don Winslow, studierte afrikanische und Militärgeschichte, war Detektiv und Verkäufer von Safarietouren in China und Kenia, und schreibt jetzt einige der besten Krimis der Welt, also behauptet man, bzw. die KrimiZeit Bestenliste. Das macht gespannt auf das neue Werk des Drogenmafia Spezialisten. Vor Büchern mit der Aufschrift vom Autor des Bestsellers „so und so“ sollte man sich, weil das meist heißt das man hier nicht sein bestes Buch in der Hand hat, zwar häufig in Acht nehmen aber man muss auch nicht immer gleich mit dem opus magnum einsteigen. Daher lege ich mit diesem 338 Seiten Band los. 


Worum geht es? Also es geht um drei Freunde, die vom Gourmet Haschischanbau leben, also ziemlich intime drei Freunde, also nicht was ihr denkt oder eben nur so halb:
„Die Jungs schweigen, bis Ben Chon über den Tisch hinweg ansieht, Daumen und Zeigefinger bis auf einen Millimeter zusammenführt und sagt: Wir sind so kurz vor Schwul.
Sie lachen eine halbe Stunde lang.
Ein Schwanzkollektiv.“
Also noch einmal langsam und im Detail. Wie haben also Ben: Ben ist Biologe, freischaffender Entwicklungshelfer mit weltweiten Projekten, lieb, nett, sanft, ökologisch, kurzum eine Mischung aus Winnetou und dem Dalai Lama nur eben in COOL…. Aber ganz so funktioniert das in dem Geschäft natürlich nicht:
„Ben kann nur Ben sein, weil Chon Chon ist. […] Die Hydrokrise liegt auf der Hand – Ben macht auf gewaltfrei und ehrlich in einer Gewalttätigen und unehrlichen Branche. […] Na gut, bislang hat Ben Gewalt und Unehrlichkeit zu 99 Prozent aus seinen Geschäften herausgehalten, und das eine Prozent ist…
Chons Sache.“
„Ben muss nicht wissen, was Ben nicht wissen muss. Du bist die amerikanische Öffentlichkeit, erklärt ihm Chon“

Da wären wir auch schon bei Chon: Chon ist ein kalter, professioneller, harter Ex-Navy Seal mit einfachem aber klaren moralischem Kodex (es gibt Ben, O und Chon = wichtig und eine Rest Welt = unwichtig), dem man erst alles über Wasser beigebracht hat, um ihn dann nach Afghanistan zu schicken. Dort fand er es trotzdem cool hatte danach aber Langeweile, keine Posttraumatische Belastungsstörung, nur Langeweile aber er hat wenigstens ein neues Hobby. Drogen.
„Chon spricht von Drogen als einer rationalen Reaktion auf den Wahnsinn, und seine chronische Verwendung der chronische Krankheiten auslösenden Substanzen ist eine chronische Reaktion auf den chronischen Irrsinn. […] In einer Welt, die im Arsch ist, muss man selbst auch im Arsch sein, sonst fällt man… hinten… runter…“
Und das Bindeglied zwischen den beiden, sozusagen das was sie vom Schwul sein trennt ist: Ophelia kurz O oder von ihren Freunden auch multiple O genannt, verwöhnte, Shopping süchtige, liebenswerte, Orgasmus verrückte, bisexuelle, echtbrüstige, verliebte, spindeldürre Tochter und große Enttäuschung (vor allem wegen den Punkten 3 und 6) von P.A.K.U (passiv Aggressive Königin des Universums) einem Society Wrack aus Orange County. O sucht noch einem Sinn des Lebens liebt aber Feuer, Eis und ihre Produkte, so wie alle drei sie lieben. Harmonie pur.

Tja, da hätten wir die Protagonisten, die Haschisch mit angepassten Rauschprofilen entwickeln und gut, ja sehr gut davon leben können. Aber wie das so ist kann der beste Drogendesigner nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt. So funkt ihnen eines Tages eine E-Mail mit Anhang dazwischen. Sie stammt vom Baja Kartell einem größeren mexikanische Drogenkartell, bittet höflich aber bestimmt um die Übergabe von Kunden und verspricht die Rohware zukünftig exklusiv zu einem sehr fairen Festpreis abzunehmen, im Anhang ist ein Video in dem feiert man in einer Schlachterei mit der letzten Gruppe und deren Polizei Beschützern, die abgelehnt hatten, schön getrennt nach Köpfen und Körpern. Nun, Chon und Ben haben genug Geld und könnten einfach aufhören, denn gewinnen können sie diesen Kampf nicht, nur leider formulieren sie diesen Wunsch vielleicht etwas zu drastisch, was die Chefin des Kartells weder witzig noch professionell findet. Gleichzeitig hat „Königin“ Elena Zweifel daran das das Geschäftsmodell ohne die beiden überlebt, so nimmt das Unheil seinen Lauf und Ophelia in die Hände eines netten Mexikaners mit Kettensäge. Die Jungs können nun ihre Freilassung abarbeiten oder in bar bezahlen aber so viel haben sie nun auch wieder nicht… Ein Dilemma.

Die Polizei? Ist sicher keine Option und überhaupt ist der Roman recht hoffnungslos eingestellt wenn es um das Thema Effektivität in der Verfolgung von Drogengeschäften geht. Hier zeigt sich der Vorteil der intensiven Recherche die Don Winslow für „Tage der Toten“ betrieben hat, dieses Buch, quasi als Spin-Off hätte schnell lächerlich geraten können, wenn nicht die reale Geschichte rund um die mexikanischen Kartelle den glaubwürdigen Rahmen bilden würde. Hinzu kommt eine stringent liberale Haltung und eine sehr USA kritische Einstellung:
„Außerdem glaubt er sowieso nicht, dass da ein Krieg gegen Drogen gefahren wird. Die führen bloß Krieg gegen Drogen, die von Menschen nicht-weißer Hautfarbe produziert und/oder konsumiert werden, so viel lässt Ben gelten. Weiße Drogen – Alkohol, Tabak, Arzneimittel: Wer genug davon verdealt, darf zur Belohnung im Lincoln Bedroom übernachten. Schwarze Drogen, braune Drogen, gelbe Drogen – Heroin, Crack, Marihuana: Wer damit erwischt wird, wacht am darauffolgenden Morgen in einer Zelle auf.“
Das ist, wie hier, ein bisschen sehr einfach, vermittelt aber ein warmes Gefühl von: „Wenn schon Unterhaltung dann doch bitte politisch korrekt“. Der Vergleich mit die Haischwimmerin von Heinrich Steinfest drängt sich aus diesem Grund ein wenig auf darf aber beruhigt verworfen werden Don Winslow verhält sich zu Steinfest wie John Travolta zu Til Schweiger.

Was ergibt das nun für ein Gesamtbild? Nun es ist der Wahnsinn zwischen zwei Buchdeckeln aber eben der Original Wahnsinn. Das ist Pulp Fiction und nicht irgendetwas auf dem draufsteht „wie Pulp Fiction“. Die Dialoge sind schnell, die Wendungen ebenfalls, der Sex ist heiß, die Gewalt heftig, die gesamte Mexico Drogenwelt glaubwürdig, die Helden sind sympathisch und manchmal trotzdem gemein und bei den Gegnern ist es meist umgekehrt. Es wimmelt von simpler aber grundsätzlicher Moral und das Buch überschreitet nie zu offensichtlich die Grenze zum Unsinn. Es ist pure Pornographie ohne hässlich zu sein. Für alle die auf diese Droge stehen ist das der richtige Speed für zwischendurch. Ein Reißer.

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