Donnerstag, 5. Januar 2012

Günter Wallraff: Ich, der andere

Günter Wallraff sollte wohl allein durch seine Figur „Ali“ als türkischer Leiharbeiter bekannt geworden sein. Dieses Buch ist eine Zusammenfassung seiner Reportagen aus 40 Jahren seines journalistischen und schriftstellerischen Schaffens.

Nun kann man ihn mögen oder nicht, er ist auf alle Fälle jemand, der seine Recherchen sehr ernsthaft betreibt. Man muss schon ziemlich schmerz- und angstfrei sein, um derlei Erkundungen zu wagen. Die Griechenland-Aktion beispielsweise, mit der er die Öffentlichkeit auf die Diktatur in Griechenland hinweisen wollte, sucht seinesgleichen. Was er dort beschrieb, liest sich eher wie ein Bericht aus der Zeit des Hitler-Deutschlands.

Einige Berichte zum Thema BILD sind selbstverständlich auch vertreten. Als jemand wie ich, die dieses Blatt aus Gründen des gesunden Menschenverstandes und der Ästhetik (wo derart große Überschriften prangen, kann man keinen vernünftigen Text vermuten) gemieden hat, sind die Berichte zu diesem Blatt eine Bestätigung der Verweigerung. Offenbar verfolgen Journalisten dieses Hauses eine recht unorthodoxe Arbeitsweise.

Recht amüsant lesen sich hingegen seine Geschichten der Kriegsdienstverweigerung und beim Gerling-Konzern. Als provokanter Portier und Bote hatte er sich im Gerling-Konzern ereifert, im Garten-Kasino zu speisen, was offenbar nicht seinem Stand entsprach.
Die Dienstgradbezeichnung Schütze Wallraff meldet sich zur Stelle! (...) Ich hatte meinen Antrag nicht früh genug gestellt. (…) So stellte ich meinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung beim Kreiswehrersatzamt Köln zwei Monate vor der Einberufung und wies darauf hin, dass das Gewissen zu jeder Zeit wach werden könne und nicht an amtliche Fristen gebunden sei.
Alles in allem ist es eine gelungene Zusammenstellung, die Einblick in, wenn auch nicht tagesaktuelle, aber dennoch unbequeme Zustände bietet. Er zeigt die Bigotterie, die uns umgibt. Glaubwürdig wird er dadurch, dass er sich zu denen, die sich nicht wehren können, gesellt, um sich ein Bild von ihren Bedingungen zu machen, um diese wiederum publik zu machen.

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